»Von Pesaro ging ich nach Monte Imperiale, welches ich nicht hätte versäumen dürfen, und welches, wie Sie wissen, schon durch die herrliche Aussicht lohnt. Wenn das fertig geworden wäre! Hier hat endlich einer das Enorme gedurft, wie seit dem Architekten weiland Ihrer Maj. Semiramis, der die Hängenden Gärten baute, niemand mehr.«
Jakob Burckhardt, Briefe an einen Architekten,1870–1889
Die Villa Imperiale, erbaut in den 1520er Jahren ist das Hauptwerk des Architekten Girolamo Genga, der dem Raffaelkreis zugerechnet wird. Sie gilt als der wichtigste Bau der römisch geprägten Hochrenaissance außerhalb der Kapitale selbst. Ungeachtet ihrer herausragenden bauhistorischen Stellung ist ihr bisher keine architekturgeschichtliche Monographie gewidmet worden, allein die Ausmalung durch bedeutende Vertreter der römischen und oberitalienischen Malschulen hat eine kunsthistorische Würdigung erfahren.
Das vorliegende Buch will dieses Desiderat der architekturgeschichtlichen Forschung einlösen und dem Bauwerk den Platz zurückgeben, der ihm in der Baugeschichte der Renaissance ohne Frage gebührt.
Die Baugruppe von Monte Imperiale ist zugleich Villa Suburbana, Memoriale und Gartenpalast der Herzöge von Urbino. Sie wurde von Francesco Maria l. Della Rovere am Ort seines Sieges im Krieg von Urbino 1517 errichtet, der seine Wiedereinsetzung als Herrscher über das quasi souveräne Herzogtum innerhalb des Kirchenstaates vorbereitet hatte.
Die Villa Imperiale besteht aus einer Gruppe von drei selbstständigen, aber aufeinander bezogenen Bauwerken. Zuunterst liegt die bei Baubeginn schon bestehende Sforza-Villa, die als Villa Suburbana der Herzöge von Urbino in Sichtweite ihrer Winterresidenz Pesaro diente. Sie wurde von Genga historisierend mit einem Wehrturm in den Formen einer toskanischen Kastellvilla des 15. Jahrhunderts ergänzt und denkmalpflegerisch konserviert. Im Inneren wurde sie mit einem Historienzyklus ausgemalt, der die Geschichten des Herzogs verherrlicht. Dadurch wurde sie zu einem Memoriale des Bauherrn, das der Kunstwissenschaft als ein Meilenstein in der Geschichte der Historienmalerei gilt.
Oberhalb der Sforza-Villa liegt der Gartenpalast der Imperiale Nuova, der äußerlich ganz in den Formen der römischen Hochrenaissance gehalten ist. Der riesenhafte Bau umschließt in seiner Mitte einen Versunkenen Hof, der nach römischen Vorbildern als Antikenhof zur Aufstellung von Skulpturen angelegt war und zudem als Scenae Frons eines Theaters all’antica diente. Der talseitigen Fassade des Gartenpalastes war eine künstliche Ruine vorangestellt, die den gewaltigen Apparat der Staatsarchitektur mit einer nicht minder kolossal angelegten architektonischen Vanitasgeste einführte. Nur durch die Zwangsführung des Weges vorbei an der künstlichen Ruine und weiter durch die freskierten Räume des Memoriale konnte man zum Gartenpalast emporsteigen. Am Ende des Aufstiegs gelangte man auf der Höhe der Bergkuppe zu einer Aussichtswarte, die ausschließlich zum Zweck der Kontemplation der Naturschauspiele über dem Meer angelegt war, mit einem Ausblick, „der bis nach Dalmatien reichte“.
Das vorliegende Buch ist das Ergebnis von zwei Jahrzehnten akribischer Bauforschung vor Ort und des gründlichen Studiums aller verfügbaren schriftlichen und bildlichen Quellen. Es ist die erste umfassende und genaue Dokumentation des Baubestandes, dessen großartige Ikonologie hier erstmals zusammen mit dem Historienzyklus und der gesamten ortsfesten Ausstattung einer genauen architektur- und kunsthistorischen Analyse unterzogen wird.
Jan Pieper